Was bedeutet „Führung“ und was ist „mein persönlicher Führungsstil“?

Führen heißt Einflussnahme in sozialen Situationen

Genauer gesagt: Ein Führungsstil ist die Art und Weise, wie eine Führungskraft mit den Mitarbeitenden interagiert. Er umfasst die verbale und non-verbale Kommunikation, die Entscheidungen, die Regeln und Vorgaben.

Gibt es einen „richtigen“ Führungsstil?

Menschen sind unterschiedlich, daher wäre es unpassend alle Menschen gleich zu behandeln. Was Person A als inspirierend empfindet mag von Person B als unangemessen empfunden werden. Menschen gleich zu behandeln hat nichts mit Fairness zu tun, eher mit Gleichmacherei – und damit ist niemandem gedient.

Führungskräfte sollten ihre Mitarbeitenden so gut kennen, dass sie deren Bedürfnisse gut einschätzen können und sie sollten ein Führungsverhalten zeigen, das flexibel auf das jeweilige Gegenüber und die Situation reagiert und somit auch auf die gerade aktuellen Herausforderungen. Das heißt, dass manche Situationen ein eher enges Führen erfordern – wenn z.B. ein Mitarbeiter eine Aufgabe erstmals übernimmt und noch wenig Erfahrung zum Thema hat – und in manchen Situationen – wenn erfahrene Mitarbeitende „mehr vom gleichen“ übernehmen – kann und sollte es sich die Führungskraft leisten, sich stark zurückzunehmen.

Der Führungsstil der diese Balance zwischen enger (dirigierender Führungsstil) und loser (unterstützender Führungsstil) Führung beschreibt ist alt, deswegen jedoch kein alter Hut.

Schon 1968 veröffentlichten die US Forscher Paul Hersey und Ken Blanchard das Model des „situativen Führens“. Hierin stellten sie heraus, dass es zu den edelsten Aufgaben von Führungskräften gehört, ihre Mitarbeitenden gemäß der individuellen „Entwicklungsstufe“ situationsvariabel zu fördern. Seither wird das Model ständig weiterentwickelt und in den letzten Jahren gab es regelmäßig aktualisierte Veröffentlichungen.

Als Situationsvariable werden die Fähigkeit der Mitarbeitenden bezüglich der zu realisierenden Aufgabe, d.h. das Maß an Fachwissen, Fertigkeiten und Erfahrung, sowie die Bereitschaft bzw. Motivation zur Aufgabenrealisierung bezeichnet.

Hier zugeordnet sind 4 Entwicklungsstufen:

Entwicklungsstufe 1 (E1): Wenig Kompetenz – Hohes Engagement

Entwicklungsstufe 2 (E2): Einige Kompetenz – Wenig Engagement

Entwicklungsstufe 3 (E3): Hohe Kompetenz – Schwankendes Engagement

Entwicklungsstufe 4 (E4): Hohe Kompetenz – Hohes Engagement

E 1 = Wenn Mitarbeitende eine neue Aufgabe übernehmen, dann haben sie hiermit in der Regel noch kaum Erfahrung. Ihre Kompetenz ist also gering. Trotzdem gehen sie die Aufgabe meist mit Begeisterung und einem großen (Lern-)Eifer an.

E 2 = Oft stellt sich kurz nach der Übernahme der (neuen) Aufgabe eine gewisse Desillusionierung ein – zum Beispiel, weil sich die neue Aufgabe als schwieriger als gedacht erweist. Die hieraus resultierende Ernüchterung verursacht nicht selten ein Nachlassen des Engagements.

E 3 = Trotzdem arbeiten die Mitarbeitenden weiter und entwickeln so allmählich ein Gespür dafür, wie sie die Aufgabe meistern können. Sie sind aber noch unsicher und fragen sich: „Kann ich das wirklich alleine?“. So schwankend wie ihre Gefühle ist dann ihr Engagement.

E 4 = Je häufiger die Mitarbeitenden die Aufgabe mit Erfolg gelöst haben, umso grösser wird ihre Sicherheit. Sie entwickeln sich also zu „Profis“, die die Aufgabe routiniert lösen und auch nicht panisch reagieren, wenn bei deren Lösung mal ein etwas anderes Vorgehen praktiziert werden muss.

Bei den vier Entwicklungsstufen gilt zu beachten, dass sie sich stets nur auf eine Aufgabe beziehen. Bei jedem Mitarbeitenden sind die Kompetenz und das Engagement von Aufgabe zu Aufgabe verschieden. Also ist auch ein unterschiedliches Führungsverhalten angesagt. Diese gilt gerade in Zeiten in denen die Teams immer heterogener werden.

Den vier Entwicklungsstufen werden vier Führungsstile (Verhaltenstypen) zugeordnet:

Führungsstil 1 – Anweisen/Anleiten: Dieser Führungsstil zeichnet sich durch ein stark dirigierendes und wenig unterstützendes Verhalten aus. Die Führungskraft gibt den Mitarbeitenden detaillierte Anweisungen, wie und mit welchen Zielen eine Aufgabe zu erfüllen ist, und überwacht eng das Vorgehen und die Leistung.

Führungsstil 2 – Trainieren: Dieser Führungsstil ist durch ein stark dirigierendes und stark unterstützendes Verhalten charakterisiert. Die Führungskraft erläutert Entscheidungen, erfragt Vorschläge, lobt Vorgehensweisen, selbst wenn diese nur teilweise richtig sind, und gibt genaue Anleitungen. Vorschläge zum Vorgehen der Mitarbeitenden sind zwar erwünscht, finale Entscheidungen trifft jedoch weiterhin die Führungskraft.

Führungsstil 3 – Coachen: Dieser Führungsstil ist gekennzeichnet durch ein stark unterstützendes und wenig dirigierendes Verhalten. Er zielt primär auf ein Stärken oder Bewahren des Engagements der Mitarbeitenden ab. Führungskräfte, die diesen Stil praktizieren, hören unter anderem ihren Mitarbeitenden zu und ermutigen diese, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und Problemlösungen zu entwerfen.

Führungsstil 4 – Delegieren: Dieser Führungsstil ist durch ein wenig unterstützendes und wenig dirigierendes Verhalten geprägt. Die Führungskraft lässt die Mitarbeitenden eigenständig handeln und sorgt für die nötigen Ressourcen. Dabei bestimmt die Führungskraft jedoch weiterhin, im Idealfall im Dialog mit den Mitarbeitenden, welche Ergebnisse gewünscht sind, und stellt sicher, dass Zielklarheit besteht.

Führungsstil 1 und Führungsstil 2 sind sehr zeitaufwendige Führungsstile – jedoch in manchen Situationen / bei manchen Aufgaben absolut notwendig … und zu früh in Stil 3 oder 4 zu wechseln wäre unter dem Strich noch zeitaufwendiger (und dazu demotivierend), dann nämlich, wenn Mitarbeitende eine Aufgabe (durch zu wenig fachliche Unterstützung und zu wenig Ermutigung) suboptimal oder gar nicht ausführen können, es zu Fehlern kommt und die Führungskraft korrigierend eingreifen muss.

Auf der anderen Seite ist es ebenso demotivierend (und lähmt die fachliche Weiterentwicklung), wenn eine Mitarbeiterin schon mehrere Projekte geplant und gemanagt hat und die Führungskraft trotzdem weiterhin zu viele Arbeitsschritte vorgibt.  

Das heißt, dass Führungskräfte ihr Führungsverhalten im Betriebsalltag immer wieder neu der Entwicklung der jeweiligen Mitarbeitenden und der jeweiligen Situation anpassen müssen. Hierzu braucht es einen offenen Dialog in dem Mitarbeitende ihre Wünsche und Bedürfnisse frei äußern können. Sonst besteht die Gefahr, dass sich (gerade junge) Mitarbeitende nicht wertgeschätzt fühlen und die gewünschte Entwicklung nicht stattfindet – zumindest nicht im eigenen Unternehmen – denn bei zu hoher Demotivation ist die Abwanderung nur einen Schritt entfernt.

Sie sind daran interessiert Ihr Führungsverhalten zu reflektieren und Handlungsalternativen / Verhaltensvarianten für Ihren Führungsalltag zu durchdenken? Gerne unterstütze ich Sie dabei und freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre, Ingrid Gartner-Steffen

Situationsbezogen Führen – was heißt das?

– nach Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard –

Auch zum Thema „Mitarbeiterführung“ gilt: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

Wenn ich als Führungskraft denke, dass mein Führungsstil angemessen ist, meine Mitarbeitenden (oder einzelne Mitarbeitende)  diesen für unpassend halten – wie mag dann wohl das Miteinander aussehen? Menschen sind unterschiedlich und was für Person A gut ist kann bei Person B bitter aufstoßen …

Führen bedeutet beeinflussen. Ihr Führungsstil besteht aus den Verhaltensmustern, die Sie nutzen, wenn Sie versuchen, andere zu beeinflussen, und der Art und Weise, wie andere Sie dann erleben.

Ihre eigene Einschätzung über Ihr Führungsverhalten und seine Auswirkung auf andere sagt aus, wie Sie handeln möchten. Nur wenn sich Ihre Wahrnehmung mit der jener Personen deckt, die Sie beeinflussen möchten, ist sie verwertbar. Wenn Sie z. B. meinen, Sie seien eine „einfühlsame, den Menschen zugewandte Führungskraft“, Ihre Mitarbeitenden Sie jedoch für einen „starrköpfigen Eigenbrötler, der nur an die Arbeit denkt“, halten – wessen Vorstellung wird dann die Arbeitssituation bestimmen: Ihre oder die der Mitarbeitenden?  Denken Sie an Fisch und Angler.

Das Verhalten einiger Führungskräfte zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Mitarbeitenden aufgabenbezogen leiten (direktives Verhalten),  andere Führungskräfte konzentrieren sich darauf, soziale und emotionale Unterstützung zu bieten und persönliche Beziehungen zwischen sich und ihren Mitarbeitenden aufzubauen (unterstützendes Verhalten).

Abhängig von der Person und der Aufgabe kann das eine so gut bzw. so unpassend sein wie das andere. Wenn ich als Mitarbeiter die Kenntnisse habe um meine Aufgabe zu erfüllen brauche ich keine aufgabenbezogene Leitung – emotionale Unterstützung jedoch kann hilfreich sein. Wenn es mir an Wissen fehlt hilft es mir nicht, wenn mir meine Führungskraft „gut zuredet“ bzw. mich für den Job zu motivieren versucht – dann brauche ich ganz handfeste Informationen bzw. ein aufgabenbezogenes Leiten.

Das Modell des situativen Führens (nach Paul Hersey und Kenneth H. Blanchard  – entwickelt 1969 und erstmals veröffentlicht 1972 – seither regelmäßig neu aufgelegt) beschreibt vier grundsätzliche Führungsstile – jeweils variierend auf den Achsen direktives vs. unterstützendes Verhalten. Dies basierend auf dem jeweiligen Kenntnisstand (bzw. der Entwicklungsstufe) der Mitarbeitenden.

Die vier grundsätzlichen Führungsstile sind:

Stil 1: Lenken

Die Führungskraft gibt präzise Anweisungen und hat ein Auge darauf, wie / wann die Aufgabe ausgeführt wird.

Stil 2: Anleiten

Die Führungskraft lenkt und überwacht auch weiterhin die Durchführung der Aufgabe, bespricht jedoch Entscheidung mit den Mitarbeitenden, bittet um Vorschläge und unterstützt Fortschritte.

Stil 3: Unterstützen

Die Führungskraft fördert und unterstützt die Mitarbeitenden bei der Durchführung der Aufgabe und teilt die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen mit ihnen.

Stil 4: Delegieren

Die Führungskraft überträgt den Mitarbeitenden die Verantwortung für die zu fällenden Entscheidungen und die zu lösenden Probleme.

Jeder der vier beschriebenen Führungsstile besteht aus einer anderen Kombination von direktivem und unterstützendem Verhalten. Die Kombinationen unterscheiden sich in drei Dimensionen:

– dem Ausmaß an Leitung durch die Führungskraft;

– dem Ausmaß an Unterstützung und Ermutigung durch die Führungskraft;

– dem Ausmaß an Beteiligung der Mitarbeitenden an Entscheidungsprozessen.

Zusammengefasst bedeutet dirigierendes Verhalten, dass ich den anderen klar sage, was zu tun ist, wie es zu tun ist, wo es zu tun ist und wann es zu tun ist. Anschließend überwache ich ihre Arbeit.

Sekundierendes Verhalten bedeutet, dass ich den anderen zuhöre, sie in ihren Bemühungen unterstütze und ermutige und dann ihre Beteiligung an Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen fördere.

Die Führungsstile passen zu den Entwicklungsstufen wie folgt:

Entwicklungsstufe 1: Wenig Kompetenz – Hohes Engagement

Entwicklungsstufe 2: Einige Kompetenz – Wenig Engagement

Entwicklungsstufe 3: Hohe Kompetenz – Schwankendes Engagement

Entwicklungsstufe 4: Hohe Kompetenz – Hohes Engagement

Im Sinne des Modells steigt der Entwicklungsstand von  Mitarbeitenden von E1 zu E4; ihre Kompetenz und das Engagement sind wechselhaft. Am Beginn einer neuen Aufgabe, wenn sie noch wenig oder gar kein Vorwissen oder Erfahrung haben, sind die meisten Menschen begeistert und interessiert (E1).

Wenn sie dann anfangen, sich mit der Aufgabe zu beschäftigen, geht es vielen so, dass sie die Aufgabe entweder für schwerer halten, als sie ursprünglich gedacht hatten, oder sie finden, dass sie weniger interessant ist, als sie angenommen hatten. Diese Desillusionierung führt dazu, dass ihr Engagement sinkt (E2). Wenn sie es geschafft haben diese Entwicklungsstufe zu durchlaufen und sie mit Hilfe der Führungskraft lernen die Aufgabe zu erledigen kommen die meisten Menschen in eine Phase des Selbstzweifels, in der sie sich fragen, ob sie ihre Aufgabe selbständig wohl auch so gut erledigen könnten. Von der Führungskraft hören sie,  dass sie kompetent sind, aber sie sind sich dessen nicht so sicher. Diese gemischten Gefühle verursachen das schwankende Engagement das für Stufe E3 charakteristisch ist – Engagement, das zwischen Begeisterung und Unsicherheit hin- und her pendelt. Mit guter Unterstützung können die Mitarbeitenden zu Spitzenkönnern werden, die ein hohes Maß an Kompetenz, Motivation und Zuversicht zeigen. Mit anderen Worten: Wenn sie das richtige Ausmaß an Anleitung und Unterstützung erhalten, steigen Menschen von einer Entwicklungsstufe zur nächsten, d. h. vom begeisterten Anfänger zu einem desillusioniert Lernenden, zu einem widerstrebend Leistenden bis zum Spitzenkönner.

Um als Führungskraft erfolgreich zu sein muss ich meine Mitarbeitenden deren Fähigkeiten und Motivation kennen, um so meinen Führungsstil  den Erfordernissen der Situation anzupassen.

Entwicklungsstand

Zusammengefasst ist der Entwicklungsstand (E1 – E4) der Mitarbeitenden definiert durch deren Kompetenz und Engagement bei der selbständigen Erledigung einer Aufgabe.

„Entwicklungsstand“ beschreibt ein aufgabenspezifisches Konzept. Das bedeutet, dass Menschen auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen sein können, je nach besonderer Aufgabe, Funktion oder Ziel.

Zum Beispiel kann eine Technikerin hoch entwickelt (kompetent und engagiert) sein, was die technischen Aspekte ihrer Arbeit betrifft, aber sie hat noch nicht dieselbe Entwicklungsstufe erreicht, wenn es darum geht, mit Auftraggebern zu verhandeln. So kann es in diesem Fall für die Führungskraft der Technikerin richtig sein, nur wenig Anweisung oder Unterstützung zu geben (S4 Delegieren), wenn es um technische Probleme geht, aber viel Anweisung zu geben und eng zu kontrollieren, wenn es um Vertragsverhandlungen geht (S1 Dirigieren oder S2 Trainieren).

Auf diese Weise konzentriert sich situationsbezogene Führung auf Angemessenheit und Effektivität des Führungsstils bezogen auf den aufgabenspezifischen Entwicklungsstand der Mitarbeitenden.

Sie sind an einem persönlichen Coaching zur Wirkung Ihres Führungsverhaltens / Führungsstils eventuell an einer Führungsstil-Analyse interessiert? Dann freue ich mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre, Ingrid Gartner-Steffen

„Im Interesse der Lesbarkeit habe ich auf größtenteils auf geschlechtsbezogene Formulierungen verzichtet. Selbstverständlich sind immer Frauen und Männer und Diverse gemeint, auch wenn explizit nur ein Geschlecht angesprochen wird.“