In diesem Beitrag stelle ich die Methode der „kollegialen Beratung“ vor, als ein Werkzeug um in heiklen Führungssituationen Handlungsanregungen zu erhalten. Die Methode der kollegialen Beratung ermöglicht, konkrete Probleme und Praxisfälle mit Hilfe der Kollegen systematisch zu reflektieren und Lösungsoptionen für den Berufsalltag zu entwickeln.
Was bedeutet kollegiale Beratung?
Hierbei geht es nicht um eine firmeninterne Therapiesitzung, sondern kollegiale Beratung ist ein Ansatz für Mitarbeitende eines Unternehmens – meist Führungskräfte – um sich gegenseitig zu schwierigen Situationen aus dem Berufsalltag auszutauschen / sich zu beraten. Noch gilt kollegiale Beratung als eine eher ungewöhnliche Maßnahme, die von den Teilnehmenden weit gehend selber organisiert und mit Themen aus dem Berufsalltag gefüllt wird.
Häufig geht es darum Lösungen für problematische Situationen mit Mitarbeitern oder Kunden zu entwickeln.
Voraussetzungen für kollegiale Beratung sind …
Vertrauen: Teilnehmer, die sich vertrauen, können miteinander offener sprechen.
Vertraulichkeit: Verschwiegenheit über Inhalt und Abläufe nach außen hin.
Unterstützung: Das Bemühen um Unterstützung für die übrigen Teil-nehmer.
Wertschätzung: Wechselseitige Wertschätzung fördert Offenheit.
Unter den Teilnehmenden sollte es keine größeren internen Spannungen oder Konflikte geben. Andernfalls fehlt das Vertrauen darin, eigene Fälle offen darzustellen und gemeinsam konstruktiv Ideen zu produzieren. Gegebenenfalls sollte das Team Konflikte zunächst mit einem Berater bereinigen.
Die Methode der kollegialen Beratung ermöglicht, konkrete Probleme und Praxisfälle mit Hilfe der Kollegen systematisch zu reflektieren und Lösungsoptionen für den Berufsalltag zu entwickeln.
Wie ist der Ablauf einer kollegialen Beratung?
Nach einer vorgegebenen Gesprächsstruktur beraten sich die Teilnehmer wechselseitig zu beruflichen Fragen und Schlüsselthemen und entwickeln gemeinsam Lösungen.
Eine Gruppengröße von 6 – 9 ist ideal um in einem festgelegten Zeitraum (2 bis max. 3 Stunden) „Fälle“ zu beraten.
Ein Durchgang dauert etwa eine halbe bis ganze Stunde, so dass in zwei bis drei Stunden mehrere Fälle bearbeitet werden können.
Welche Fälle / Themen können das sein?
Alle Themen aus dem Arbeitsalltag zu denen eine Fremdsicht hilfreich wäre und zu denen der „Fallgeber“ Handlungsalternativen sucht.
Beispiele für Praxisfragen und Fälle:
- „Einer meiner Mitarbeiter lässt in letzter Zeit deutlich in seiner Leistung nach. Wie kann ich mit ihm darüber ins Gespräch kommen?“
- „Ich stehe als Projektleiter am Anfang eines neuen Projektes. Wie kann ich den Auftakt so gestalten, dass sich alle wirklich engagieren?“
- „Ich habe einen neuen Mitarbeiter bekommen. Er tut sich schwer, sich ins Team zu integrieren und steht abseits. Was kann ich tun, damit er vom Team akzeptiert wird?“
Hier wird nicht unterstellt, dass der Fallgeber nicht selbst schon einiges an Lösungsideen und Vorgehensweisen im Repertoire hat – hilfreich ist der Austausch mit (Führungs-)Kollegen und nicht zu unterschätzen ist der Nebenaspekt des so (enger) geknüpften kollegialen Netzwerks, und …. das Rad muss nicht immer neu erfunden werden und auch wenn ich mich durch Kollegen in meinem Verhalten bestätigt höre hilft mir dies schwierige Situationen mit größerer Sicherheit zu meistern.
Wie kommt die kollegiale Beratung ins Laufen?
Ein Teilnehmer übernimmt die Rolle als Moderator, begleitet die Gruppe durch das Beratungsgespräch und aktiviert dabei die Erfahrungen und Ideen der übrigen Teilnehmer.
Unter Anleitung des Moderators beraten somit alle Teilnehmer den Fall und suchen nach Anregungen und Lösungsideen, die den Fallgeber weiterbringen sollen.
Das Besondere: Nach der Schilderung des Falles und der Formulierung der Schlüsselfrage zieht sich der Fallgeber zurück und beteiligt sich nicht mehr an der Diskussion. Er hört zu, notiert Anregungen und ggf. Bestätigungen.
Wichtige Rollen in der kollegialen Beratung
Die Teilnehmer wechseln sich mit den folgenden Rollen ab. Auf diese Weise können sie ihre Praxisfälle in der Gruppe lösen und sich zusätzlich in Beratungskompetenzen üben und weiterbilden.
Fallerzähler
Der Fallerzähler bringt ein Schlüsselthema, eine Situation oder einen Fall in die Runde ein. Er gibt die seiner Ansicht nach wichtigen Informationen, formuliert eine Schlüsselfrage und schlägt eventuell auch eine Methode zur Bearbeitung der Fragestellung vor.
Moderator
Der Moderator leitet die Gruppe durch die Phasen der kollegialen Beratung an. In der Phase des Spontanberichtes unterstützt er den Fallerzähler durch klärende Fragen darin, sein Thema zu entfalten. Der Moderator achtet darauf, dass die Autonomie des Fallerzählers gewahrt bleibt und die übrigen Teilnehmer respektvoll mit ihm umgehen.
Berater
Die übrigen Teilnehmer nehmen die Rolle der Berater ein. Sie lassen sich durch den Moderator für die Dauer der kollegialen Beratung anleiten. Sie hören dem Fallerzähler aufmerksam zu, stellen an der passenden Stelle Verständnisfragen und geben in der Beratungsphase ihre Ideen und Perspektiven.
Ablauf der Beratung
Die Berater unterstützen den Fallerzähler zu seiner Schlüsselfrage. Ein „Sekretär“ notiert die Beiträge der Berater mit. Damit kann der Fallerzähler sich auf deren Inhalte konzentrieren.
Der Fallerzähler hört in dieser Phase nur zu und lässt die Ideen der Berater auf sich wirken.
Der Moderator wacht über die Einhaltung des Zeitrahmens von etwa 10 Minuten. Im Sinne des Fallerzählers achtet er darauf, dass die Berater nur einen Beitrag pro Wortmeldung abgeben und die Beiträge nicht zu schnell hintereinander erfolgen.
Abschluss
Der Moderator wendet sich dem Fallerzähler zu und fragt ihn, welche Ideen der Berater er bedenkenswert und hilfreich in Bezug auf seine Schlüsselfrage findet.
Der Fallerzähler nimmt Stellung zu den aus seiner Sicht hilfreichen Anregungen und bedankt sich abschließend für die Unterstützung durch die Berater.
Der Moderator kann sich am Ende noch ein Feedback für die Art seiner Moderation einholen.
Damit endet ein Zyklus der kollegialen Beratung, und die Gruppe kann mit einem weiteren Fall fortfahren.
Fazit
Wenn die Methode der kollegialen Beratung noch nicht bekannt ist, ist es hilfreich die erste Sitzung durch einen Coach begleiten zu lassen. So kann der Ablauf gelernt und geübt werden und eine erste Sitzung kann moderiert werden.
Danach sollte es laufen und die Kollegen planen die Sitzungen eigenständig. Alle Rollen der kollegialen Beratung wechseln je Fallberatung, es gibt keine festen Rollenverteilungen unter den Teilnehmenden. Es gibt keinen Berater oder Experten von außen, der in die Gruppe kommt. Das macht das Kollegiale an der kollegialen Beratung aus.
Sie sind daran interessiert kollegiale Beratungen in Ihrem Unternehmen einzuführen? Gerne unterstütze ich Sie dabei und freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.
Ihre,
Ingrid Gartner-Steffen
Hinweis: Aus Gründender Lesefreundlichkeit verzichte ich auf gegenderte Sprachformen. Die Chefin kann immer auch der Chef sein und der Mitarbeiter die Mitarbeiterin (m/w/d)
Ein interessantes Modell, Danke für die Inspiration!
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Gerne!
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